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Von zuverlässigen Informationen, minimierten Bürokratiekosten und neuen Datenquellen

AWV-Interview mit Dr. Ruth Brand Präsidentin des Statistischen Bundesamtes (Destatis), Wiesbaden

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Seit Januar 2023 ist Dr. Ruth Brand neue Leiterin des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Wir haben sie gefragt, warum Statistiken für den Bürokratieabbau wichtig sind, welche die relevantesten Themen der nächsten Jahre sein werden und wie Deutschland von der Datenwüste zur Datenoase werden kann. Sie hat uns auch erzählt, welches gemeinsame Projekt ihr „Highlight“ aus der langjährigen Zusammenarbeit von AWV und Destatis ist.

Frau Dr. Brand, in diesem Jahr feiert das Statistische Bundesamt sein 75-jähriges Bestehen. Herzlichen Glückwunsch dazu! Sie selbst arbeiten bereits seit über 20 Jahren für das Statistische Bundesamt, zu dessen Präsidentin Sie im Januar dieses Jahres ernannt wurden. Was hat sich in diesen Jahren verändert? Was werden die relevanten Themen der nächsten Jahre sein?

Wie in vielen Bereichen waren die letzten 20 Jahre auch beim Statistischen Bundesamt geprägt von der Digitalisierung. Datenerhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung haben sich enorm beschleunigt. Wir haben früh damit begonnen, die neuen technischen Möglichkeiten als Chance zu begreifen und zu unserem Vorteil einzusetzen – und dadurch letztlich zum Vorteil unserer Nutzenden. Aber wir müssen auch die Chancen und Risiken ständig neu bewerten. Wir sind die erste Anlaufstelle für neutrale, objektive und fachlich unabhängige Statistiken und wollen dies auch bleiben. Unsere Rolle ist in der Informationsflut unserer digitalen Welt nicht selbstverständlich. Das merken wir zum Beispiel bei Diskussionen in den sozialen Netzwerken – auch die gab es vor 20 Jahren noch nicht. Wir müssen uns das Vertrauen der Öffentlichkeit Tag für Tag erarbeiten.

Wir wollen in Zukunft natürlich weiter zuverlässig Daten erheben und veröffentlichen, aber auch verstärkt als digitaler Datenmanager und Informationsdienstleister auftreten. Und wir müssen flexibel bleiben, damit wir auch Themen und Entwicklungen bedienen und mitgestalten können, die jetzt noch gar nicht absehbar sind. Rahmenbedingungen wie Open Data müssen wir aktiv umsetzen und fördern. Wir unterstützen auch die Verwaltungsmodernisierung, etwa mit dem Basisregister für Unternehmen.

Seit 2003 besteht eine Kooperation zwischen dem Statistischen Bundesamt und der AWV. Fällt Ihnen ein gemeinsames Projekt ein, das Sie als "Highlight" bezeichnen würden? In welchem Bereich könnten Sie sich ein nächstes gemeinsames Projekt vorstellen?

Ein besonderes Projekt ist die Entwicklung des Kommunikationsprotokolls eXTra durch den Arbeitskreis 2.1 der AWV. Wir arbeiten an diesem Projekt von Beginn an intensiv mit und leiten es seit vielen Jahren stellvertretend. Besonders ist dieses Projekt vor allem, weil es nicht ein primär statistisches Anliegen bedient, sondern eine technische Standardisierung und Vereinfachung von Datenaustauschschnittstellen und -verfahren über die Statistik hinaus anstrebt. Nach der Einführung von eSTATISTIK.core hatten namhafte Dienstleister und Softwarehersteller mit Hinweis auf funktionale Schnittmengen mit dem ELSTER-Verfahren im Bereich Datenaustausch eine Standardisierung angeregt und einen Anstoß zur Gründung des AK 2.1 gegeben. Zudem gab es einen fachlichen Schwerpunkt im Bereich Arbeitgebermeldungen der Sozialversicherung, wo bereits etablierte Datenaustauschverfahren existierten. Dort ging es vor allem darum, ohne Brüche in den Fachverfahren moderne Datenaustausch- und Sicherheitstechnologien einzuführen. Die sich hieraus ergebenden Anforderungen ließen schließlich nur eine Neuentwicklung zu, mit dem Ergebnis, dass Integrationsfähigkeit und Migrationsfreundlichkeit heute als die zentralen Eigenschaften von eXTra gelten.

Inzwischen ist das ELSTER-Verfahren nicht mehr Teil von eXTra. Dennoch konnte eXTra schon 2007 durch die Deutsche Rentenversicherung im realen Betrieb pilotiert werden. In den folgenden Jahren wurde der Funktionsumfang schrittweise erweitert. Unser Hauptbeitrag war und ist unsere langjährige Expertise in der Standardisierung von Software und Datenformaten. So konnten wir dazu beitragen, aus eXTra einen schlanken und flexiblen Standard mit hoher Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Fachverfahren zu machen. Inzwischen ist eXTra der einheitliche Kommunikationsstandard im Bereich der Sozialversicherung, auch über die Arbeitgebermeldungen hinaus. Über die Kommunikationsserver der gesetzlichen Krankenversicherung und der Deutschen Rentenversicherung werden jährlich rund eine halbe Milliarde Meldungen mit eXTra übermittelt. Damit ist eXTra nicht nur technisch eine Erfolgsgeschichte, sondern ein nationaler Standard von erheblicher Bedeutung.

Ein weiteres Projekt ist die Zusammenarbeit bei der Verdienststatistik. Wir haben gemeinsam im Zuge der damaligen Reform der Lohnstatistik die Voraussetzungen geschaffen, dass die automatisierte Datengewinnung aus der betrieblichen Lohnabrechnung ab 2007 erstmals flächendeckend in der  Vierteljährlichen Verdiensterhebung eingesetzt wurde. Das war der Beginn einer dauerhaften intensiven Kooperation in diesem Tätigkeitsgebiet. Diese dauert bis heute an und hat mit der 2022 erstmals durchgeführten neuen Verdiensterhebung ein weiteres Highlight gesetzt. Inzwischen werden dort fast drei Viertel der Meldungen direkt und aufwandsarm aus der Lohnabrechnungssoftware generiert und übermittelt – eine große Entlastung für die Unternehmen.

Um den Wirtschaftsstandort Deutsch­land zu sichern, ist eine schnellere Digitalisierung wichtig. Auch Destatis nimmt hier eine wichtige Rolle ein. So wurden Sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem Aufbau des Basisregisters für Unternehmen betraut, das Unternehmen und Verwaltung deutlich entlasten soll. Was genau hat es damit auf sich?

Das Basisregister für Unternehmen ist ein neu aufzubauendes Verwaltungsregister, bei dem das Statistische Bundesamt auf Grundlage des Unternehmensbasisdatenregistergesetzes die wichtige Aufgabe der Registerbehörde übernimmt. Das Basisregister wird Stammdaten, Identifikatoren und Metadaten aller Unternehmen in Deutschland zusammenführen, qualitätssichern und zentral vorhalten. Zur eindeutigen Identifikation wird den mehr als 14,5 Millionen Einheiten im Basisregister eine bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer zugeordnet. Damit werden die infrastrukturellen Voraussetzungen zur Umsetzung des Once-Only-Prinzips im Unternehmensbereich geschaffen. Gemeint ist damit die einmalige Angabe von Informationen bei Behörden. Das Statistische Bundesamt hat eine besondere Expertise bei der Sammlung, Verarbeitung und Haltung vollständiger, richtiger, konsistenter und aktueller Datenbestände. Auf Basis einer geeigneten IT-Infrastruktur und unter Beachtung der zentralen Vorgaben von Datensicherheit und Datenschutz dient das Basisregister neben der Digitalisierung der Verwaltung auch der Bürokratiekostenentlastung von Unternehmen.

 

Dr. Ruth Brand, Präsidentin des statistischen Bundesamtes (Destatis)
 
Ruth Brand wurde 1967 in Lemgo geboren. Nach Studium und Promotion der Wirtschaftswissenschaften in Hannover war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg tätig. Im Jahr 2001 folgte der Wechsel zum Statistischen Bundesamt, wo sie in der Anonymisierung von statistischen Einzeldaten und der Landwirtschaftsstatistik tätig war, bevor sie die Leitung der Abteilung „Gesundheit, Soziales, Bildung und Private Haushalte“ übernahm. Von April 2020 bis Dezember 2022 leitete Brand das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums. Seit dem 1. Januar 2023 ist sie Präsidentin des Statistischen Bundesamtes und Bundeswahlleiterin. (Foto: Statistisches Bundesamt (Destatis))

 

Destatis stellt sowohl der Wirtschaft als auch der Verwaltung statistische Informationen zur Verfügung. Ein Beispiel für eine Kooperation mit anderen Ämtern ist eStatistik.core, der gemeinsame Dateneingang der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder– insbesondere im Bereich der Verdienststatistik, für die rund 75 Prozent aller Meldungen über eStatistik.core laufen. Welche Rolle spielt die Bereitstellung von Daten in den jeweiligen Sektoren, etwa mit Blick auf die Entwicklung von Innovationen oder Prozessoptimierung?

Die Verdienststatistik ist tatsächlich ein gutes Beispiel, um die Potenziale der Zusammenarbeit zu verdeutlichen. Bei der Konzeption der neuen Verdiensterhebung stand der statistische Verbund vor der Herausforderung, zusätzliche Nutzerwünsche – vor allem zu den Themen Mindestlohn und Gleichstellung – zu erfüllen, dabei aber keine neuen Bürokratiekosten für die Berichtsbetriebe zu verursachen. Die Lösung dieses Problems lag darin, dass wir von den Betrieben bereits digital in ihrer Lohnabrechnung vorliegende Daten abfragen. Bei der Frage, welche Daten dies sind, konnten wir auf das Know-how der AWV zurückgreifen. Über diesen Weg konnten wir schließlich sämtliche Lieferverpflichtungen und bereits bestehende Nutzerwünsche erfüllen. Darüber hinaus haben wir Schätzmodelle für zusätzlich notwendige Merkmale entwickelt, die in der betrieblichen Lohnbuchhaltung nicht vorgehalten werden. So entstand ein Merkmalskatalog, der von den Betrieben monatlich quasi per Knopfdruck an die amtliche Statistik übermittelt werden kann. Ist dieser hohe Automatisierungsgrad erreichbar, dann tritt die Anzahl an erhobenen Datensätzen bei der Frage der Belastung der Betriebe in den Hintergrund. Wir erfragen bei der Verdiensterhebung seit Januar 2022 monatlich rund 8 bis 9 Millionen Beschäftigtendatensätze bei rund 58 000 Betrieben. Betriebe, die für diese Datenlieferungen ein Statistikmodul ihrer Lohnsoftware nutzen und ihre Lieferpflicht somit über eSTATISTIK.core erledigen, spüren diese große Datenmenge nicht und machen daher gerne Gebrauch von diesem Lieferweg.

Hiervon profitieren letztlich alle Seiten: Für die Betriebe werden die Bürokratiekosten minimiert, obwohl große Datenmengen übermittelt werden. Die amtliche Statistik erhält die Möglichkeit, neue Nutzerwünsche zu erfüllen und profitiert von der hohen Datenqualität bei bereits vorliegenden Daten. Und die Nutzenden freuen sich über ein deutlich gestiegenes und aktuelleres Daten- und Informationsangebot im Bereich der Verdienststatistiken, zum Beispiel den monatlichen Nominallohnindex nach Quintilen im Dashboard Deutschland. Hier können Interessierte unter anderem sehen, wie sich die Ränder der Verdienstverteilung, also die oberen und unteren 20 Prozent, im Vergleich zur gesamten Verdienstentwicklung verhalten.

Innerhalb der amtlichen Statistik haben wir unsere Aufbereitungsprozesse grundlegend modernisiert. Diese riesige monatliche Datenmenge wird nun mittels automatisierter Plausibilisierungs- und vor allem auch Imputationsmethoden bearbeitet. Anders wäre diese Herkulesaufgabe auch gar nicht zu schultern.

Nun bleibt zu prüfen, ob diese Prozesse auf andere Bereiche der amtlichen Statistik übertragen werden können. Die Verdienststatistik hatte mit der Entgeltabrechnung der Betriebe allerdings ideale Voraussetzungen. Von daher wird ein Copy-and-paste für andere Erhebungen nicht ohne Weiteres möglich sein. Trotzdem werden wir den Grundgedanken, die Orientierung an digital bereits vorhandenen Daten, bestmöglich auch auf andere Erhebungen übertragen.

Ein gemeinsames Anliegen von Destatis und der AWV ist – neben der Förderung der Verwaltungsdigitalisierung – auch der Abbau von Bürokratie. Destatis führt zu diesem Zweck eine Vielzahl an Erhebungen durch und stellt die Daten zur Verfügung. Welche Daten werden erhoben und warum sind sie so wichtig für den Abbau von Bürokratie?

Die systematischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zu bürokratischen Belastungen begannen 2006 mit der Bestandsmessung der Bürokratiekosten der Wirtschaft aus Informationspflichten des Bundesrechts. Seitdem hat sich unser Portfolio kontinuierlich erweitert. Heute bearbeitet das Dienstleistungszentrum für Bessere Rechtsetzung im Statistischen Bundesamt rund ein Drittel aller Ex-ante-Schätzungen des Erfüllungsaufwands für Regelungsvorhaben der Bundesregierung. Dazu zählen beispielsweise die Strom- und Gaspreisbremsen oder die kürzlich beschlossene Legalisierung von Cannabis. Zwei bis drei Jahre nach Inkrafttreten wesentlicher Regelungen prüfen wir die tatsächlich eingetretenen Auswirkungen auf den Aufwand der betroffenen Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Behörden. Zudem begleiten wir die Evaluierung von Regelungen, beraten die Ressorts zum Studiendesign und erheben Daten für die Ministerien. So haben wir beispielsweise landwirtschaftliche Betriebe online zu unfairen Handelspraktiken befragt. Unsere Lebenslagenbefragung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen zur Zufriedenheit mit der öffentlichen Verwaltung gibt Hinweise auf Probleme und zeigt Verbesserungsmöglichkeiten auf. Zudem erheben wir gezielt Daten zu Prozessen, Aufwand und Vereinfachungspotenzialen in bestimmten Rechtsbereichen wie beispielsweise zu den Möglichkeiten digitaler Gremienarbeit. Dabei machen wir unser Vorgehen stets transparent und veröffentlichen Methoden und Ergebnisse auf unserer Website. Aktuell unterstützen wir die Verbändeabfrage der Bundesregierung, bei der 57 Verbände insgesamt 442 Vorschläge für bürokratische Entlastungen eingereicht haben. Die Erhebungen und Analysen des Statistischen Bundesamtes liefern den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern somit das notwendige Datenmaterial für einen systematischen und evidenzbasierten Bürokratieabbau.   

Die Statistik auf europäischer Ebene – sprich: Eurostat – wird immer wichtiger. Das Statistische Bundesamt ist die deutsche Kontaktstelle zu Eurostat. Inwiefern wird Ihre Arbeit durch die Europäische Union mitbestimmt und was sind Punkte, die Ihnen auf EU-Ebene besonders am Herzen liegen?

Die internationale und vor allem europäische Zusammenarbeit gewinnt tatsächlich immer mehr an Bedeutung. In unserer globalisierten und immer komplexer werdenden Welt steigt der Bedarf an länderübergreifenden statistischen Informationen. Insbesondere durch internationale Zusammenarbeit und durch vergleichbare Statistiksysteme können wir die notwendigen Antworten auf zukunftsweisende Fragen geben. Das Statistische Bundesamt ist auf europäischer Ebene mit Eurostat und den nationalen statistischen Ämtern der Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Statistischen Systems (ESS) eng verbunden. Die Basis dafür ist vor allem die EU-Verordnung Nr. 223/2009 über europäische Statistiken, die den Rechtsrahmen für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken, und somit eine Reihe von Aufgaben und Verantwortlichkeiten für das Statistische Bundesamt und für mich als Amtsleitung festlegt. In Deutschland ist das Statistische Bundesamt die einzige Kontaktstelle für Eurostat.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Rechtsvorschriften und Verordnungen, die die Erhebung und Übermittlung von statistischen Daten an Eurostat regeln. Zusätzlich diskutieren wir in Gremiensitzungen des ESS regelmäßig auf fachlicher und strategischer Ebene über aktuelle Themen und neue Gesetzesvorhaben mit Bezug für die amtliche Statistik. Im Vordergrund stehen die Entwicklung und Bereitstellung qualitativ hochwertiger Statistiken, die relevant sind für die Umsetzung politischer Maßnahmen der EU in wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Themenfeldern.

Was mir besonders am Herzen liegt, ist die Reaktion der Statistik auf Krisen, neue Datenquellen verfügbar zu machen, neue statistische Produkte zu schaffen und den Datenaustausch im Rahmen des ESS voranzutreiben. Diese Themen werden derzeit auch auf EU-Ebene im Rahmen der Überarbeitung unserer EU-Statistik-Verordnung intensiv diskutiert.

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Ansatz, der auch die Statistikwelt verändern wird. Was erwarten Sie in diesem Bereich für die Zukunft?

Das Statistische Bundesamt setzt künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen seit vielen Jahren in der Statistikproduktion ein. Diese Verfahren erlauben beispielsweise, die Bearbeitungsschritte nach dem Eingang der Daten effizienter zu gestalten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden so bei der Bearbeitung von Standardfällen entlastet. Das erhöht die Qualität unserer Statistiken, denn so bleibt Zeit für die schwierigen Fälle, die auch eine KI nicht verlässlich bearbeiten kann. Ein weiterer Aspekt ist mittelfristig auch der Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Statistischen Bundesamts. Knappe Mittel und demografischer Wandel erfordern eine zunehmende Automatisierung der Statistikproduktion. Hier hilft der Einsatz von KI, wenngleich er die Arbeit der Beschäftigten nie vollständig ersetzen kann.

Bei all dem haben wir im Blick, dass der Einsatz von KI auch Risiken birgt. Dass eine KI nie zu 100 Prozent richtig liegt, ist uns als Statistikerinnen und Statistikern klar – damit können wir umgehen. Aktuell arbeiten wir an einem Qualitätsbegriff für KI in der amtlichen Statistik, der auch Aspekte wie Transparenz und Nachvollziehbarkeit von KI-Lösungen aufgreift. Aufmerksam müssen wir jedoch bezüglich zweier Punkte sein: Einerseits, wenn fremde künstliche Intelligenzen falsche Meldungen produzieren und dabei das Statistische Bundesamt als vermeintliche Quelle nennen. Andererseits, wenn Informationen, die an uns im Rahmen der Erhebung von Daten gesendet werden, von einer künstlichen Intelligenz erzeugt statt vom Menschen erfasst oder aus Datenbanken oder Systemen des Rechnungswesens extrahiert werden. Sofern diese Meldungen deswegen falsche Angaben erhalten, erfüllt der oder die Meldende nicht seine gesetzliche Auskunftspflicht. Vor allem aber gefährdet dies die Verlässlichkeit der amtlichen Statistik und das Vertrauen in sie.

In der Presse ist oftmals von der „Datenwüste Deutschland“ die Rede. Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie kann Deutschland zur Datenoase werden? Und was würden Sie gerne dazu beitragen? Welche Potenziale werden hier noch nicht genutzt?

Sie haben bereits den Gegenbegriff zur Datenwüste genannt: Die Datenoase. Aus meiner Sicht haben wir in Deutschland eher das Problem, dass es zu viele einzelne Datenoasen gibt, die oft nicht miteinander vernetzt sind. Und manche Oasen sind so gut versteckt, dass niemand sie findet. Die Oasen, sprich: Daten, haben wir also oft schon. Was wir brauchen, sind Verbindungskanäle, damit die Daten dort ankommen, wo sie gebraucht werden, und zwar in einem Format, das auch nutzbar ist. Dazu braucht es einerseits solch scheinbar banale Dinge wie einheitliche Metadaten, aber auch Open Data-kompatible Strukturen und das, was man unter dem Begriff „Data Governance“ zusammenfasst. Zu all diesen Punkten können wir als Statistisches Bundesamt vieles beitragen – sowohl intern als auch in der Zusammenarbeit mit anderen datenhaltenden Stellen. Aber das ist viel Arbeit – dazu brauchen wir zum einen den politischen Auftrag und zum anderen die entsprechenden Mittel.

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