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Die Digitalisierung des Verrechnungs­­preis­managements im Unternehmen

Doppelinterview mit David Schallenberg und Javier Reche, dem Leitungsteam des AWV-Arbeitskreises „Operational Transfer Pricing“ und Nachgefragt bei Christian Danner, stellvertretender Leiter des AWV-Arbeitskreises "Verrechnungspreise"

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Im Zuge der Digitalisierung von Unternehmensprozessen und auch im Rahmen der Anforderungen an Tax Compliance Management Systeme rückt das Thema „Operational Transfer Pricing“ (OTP) immer stärker in den Fokus von Unternehmen und Finanzverwaltung. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, haben Mitglieder des seit langer Zeit bestehenden und in der Steuerfachwelt renommierten AWV-Arbeitskreises 3.5 „Verrechnungspreise“ die Gründung eines neuen Arbeitsgremiums initiiert.

Herr Schallenberg, Sie leiten den neu gegründeten Unter-Arbeitskreis 3.5.1 „Operational Transfer Pricing“ gemeinsam mit Herrn Reche. Wie definieren Sie OTP? Was war der Anstoß dafür, sich gerade diesem Thema zu widmen?

David Schallenberg: Für mich bedeutet OTP die Digitalisierung des Verrechnungspreismanagements in Unternehmen und damit einhergehend ein verbessertes Verständnis der relevanten Daten sowie die Möglichkeit, daraus Rückschlüsse auf die Verrechnungspreisprozesse zu ziehen. Dies geht über die Automatisierung bestimmter Prozesse hinaus und ermöglicht einen ganzheitlichen End-to-End-Blick, der nicht nur den Verrechnungspreisbereich, sondern auch angrenzende Bereiche wie Controlling und Product Supply/Supply Chain umfasst. Durch den Einsatz digitaler Tools und Technologien können Daten schneller erfasst, analysiert, verarbeitet und zusätzliche Erkenntnisse generiert werden. Dabei spielen menschliche Fähigkeiten wie analytisches Denken, Datenverständnis und die Vernetzung im Unternehmen eine wichtige Rolle. Die Kombination aus digitalen und technologischen Komponenten sowie der Weiterentwicklung der Anforderungsprofile macht dieses Thema für mich besonders interessant.

Herr Reche, was werden die Aufgaben des neuen Arbeitsgremiums sein?

Javier Reche: Der neue Subarbeitskreis „Operational Transfer Pricing“ ermöglicht eine Austauschplattform im Rahmen der operativen Umsetzung von Verrechnungspreispolicy und -methoden. Unser Hauptfokus wird sein, Erfahrungen aus der Unternehmerpraxis für die operative Implementierung von Verrechnungspreissystemen auszutauschen, mit Blick auf Prozesse, Organisation, Daten und Technologie.

Themen wie Segmentierung der Daten, Herausforderungen in der Definition von „End-to-End-Verrechnungspreismanagement“ oder Planungs-, Berechnungs-, Monitoring- und Anpassungsprozesse stehen unter anderem auf unserer Agenda.

Zusätzlich stellt die Umsetzung von Verrechnungspreispolicy und -methoden in der Praxis eine große Herausforderung dar, deshalb ist grundsätzlich ein Austausch zwischen den Unternehmensbereichen Controlling, IT und Steuern notwendig. Diesen Zusammenhang werden wir auch im neuen Arbeitsgremium betrachten.

Herr Schallenberg, was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen der Umsetzung des Operational Transfer Pricing und die Learnings daraus?

David Schallenberg: Aufbauend auf meiner Definition von OTP sehe ich Daten und Mitarbeitende als die wichtigsten Bausteine für eine erfolgreiche Umsetzung von OTP.

Daten müssen sowohl verfügbar sein als auch eine entsprechende Qualität aufweisen. Dies stellt insbe­sondere bei komplexen Ge­schäftsstrukturen, anspruchsvollen Verrechnungspreismodellen und fragmentierten Systemlandschaften eine große Herausforderung dar. Dennoch bilden sie die notwendige Basis, um erfolgreich technische Lösungen implementieren zu können. Daher ist es wichtig, sehr enge Schnittstellen sowohl zur IT als auch zu den Landesorganisationen und anderen Finanzfunktionen zu haben und einen regelmäßigen beidseitigen Austausch zu suchen.

Auch das Anforderungsprofil der Mitarbeitenden verändert sich. Häufig waren die heutigen OTP-Fachleute zuvor in controlling- oder steuernahen Bereichen beschäftigt. Wir stärken nun gezielt Fähigkeiten, etwa in den Bereichen Datenkompetenz und Low- oder No-Code-Entwicklungen. Zudem schulen wir die Mitarbeitenden, um das Verständnis unseres Geschäftsmodells und entsprechender Geschäftsmodelle sowie die Nähe zu den einzelnen Divisionen zu fördern. Daher ist es wichtig, passende Weiterentwicklungsangebote verfügbar zu machen und ein gutes Change-Management zu betreiben.

Herr Reche, welche sind Ihrer Erfahrung nach die wichtigsten Schnittstellen in OTP-Projekten?

Javier Reche: Um eine erfolgreiche Einführung eines Verrechnungspreissystems in der Organisation zu erreichen, würde ich die Schnittstellen auf Basis meiner Erfahrung in OTP-Projekten in vier Punkten beschreiben:

  • die Umstellung eines neuen OTP-Systems muss auf Top-Managementebene unterstützt werden,
  • im Fokus müssen gleichermaßen Prozes­se, Tools und Organisation (Change-Management) stehen,
  • eine funktionsübergreifende Zuordnung und Beschreibung klarer Verantwortlichkeiten sind erforderlich,
  • die Erwartungen und mögliche Konflikte zwischen Controlling und Steuern sollten im Vorfeld definiert werden.
 
Christian Danner (Boehringer Ingelheim, Mitte), stellvertretender Leiter des AWV-Arbeitskreises "Verrechnungspreise",  mit David Schallenberg (Bayer AG, links) und Javier Reche (Robert Bosch GmbH), den beiden Leitern des Arbeitskreises "Operational Transfer Pricing". (Foto: AWV e.V.)

 

Eine Frage an Sie beide: Wo sehen Sie die Stärken des Arbeitskreises und welche Themen möchten Sie besonders vorantreiben?

David Schallenberg: Ich sehe insbesondere die vertrauensvolle Zusammenarbeit und den offenen Austausch zwischen den Teilnehmenden als die größte Stärke des Arbeitskreises. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen auf häufig sehr ähnliche Herausforderungen profitieren alle Teilnehmenden, und es wird eine Verbesserung der Zusammenarbeit an den verschiedenen Schnittstellen erreicht. Mein Hauptanliegen ist es, diese Gesprächsatmosphäre zu erhalten und zu fördern. Außerdem möchte ich den Fokus auf die Entwicklung der menschlichen Komponente im OTP lenken, da sich das Anforderungsprofil der Mitarbeitenden im OTP in den nächsten Jahren signifikant weiterentwickeln wird. Zusätzlich nehmen die Verpflichtungen im externen Reporting zu. Auch in diesem Bereich bieten sich sehr gute Möglichkeiten, konzern- und beraterübergreifend Lösungsansätze zu diskutieren.

Javier Reche: Die ersten Sitzungen haben gezeigt, dass der Arbeitskreis eine gute Kombination von engagierten Vertretern von Unternehmen aus Controlling und Steuern sowie sehr erfahrenen Berater in diesem Bereich darstellt. Dieses Format bietet die Möglichkeit, offene Diskussionen zu führen und die in der Praxis bestehenden Herausforderungen bzw. mögliche Lösungen mitzuteilen und gegebenenfalls anzunehmen.

Von meiner Seite möchte ich insbesondere drei Themen vorantreiben:

  • die Relevanz der Standardisierung und Konsistenz im „End-to-End-Verrechnungspreiseprozess“,
  • die massive Bedeutung der Datenqualität im OTP-Bereich und
  • den Weg nach vorn in die Automatisierung / Digitalisierung als eine höhere Priorität.

 


 

Nachgefragt: Verrechnungspreise und Operational Transfer Pricing
in der AWV


Wie genau kam es zur Gründung des neuen Gremiums und wie unterscheiden sich die Arbeitskreise "Verrechnungspreise" und "Operational Transfer Pricing"? Wir haben nachgefragt bei Christian Danner, stellv. Leiter des Arbeitskreises "Verrechnungspreise".

Herr Danner, Sie sind stellvertretender Arbeitskreisleiter des seit Langem bestehenden Arbeitskreises „Verrechnungspreise“. Nun haben Mitglieder Ihres Arbeitskreises die Gründung eines neuen Gremiums initiiert. Welchem Thema soll sich der neue AK 3.5.1 widmen und was war der Anstoß oder der konkrete Anlass für die Gründung?

Christian Danner: Die Operationalisierung der Verrechnungspreise  wie bspw. deren Setzung und Aussteuerung sollen im Fokus des neuen Arbeitskreises stehen. Das Thema Operational Transfer Pricing hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und Unternehmen setzen sich verstärkt damit auseinander, wie diese Prozesse digitalisiert werden können. Da bei diesen Themen neben Vertreterinnen und Vertretern der Steuerabteilung auch regelmäßig Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Controlling involviert sind, soll der Arbeitskreis ein Forum bieten, in dem sich die unterschiedlichen Funktionen austauschen können.

Wie unterscheiden sich beide AKs thematisch? Warum musste für diese Themen ein neues Gremium gegründet werden?

Im Rahmen der Operationalisierungsdiskussion rücken System- und Prozessfragestellungen stärker in den Vordergrund. Das macht es erforderlich, das Arbeitsgremium um Spezialistinnen und Spezialisten zu erweitern, die sich im täglichen Geschäft damit auseinandersetzen. Der Arbeitskreis OTP sollte nicht als Konkurrenzveranstaltung zum bestehenden Arbeitskreis „Verrechnungspreise“ verstanden werden, sondern vielmehr als Ergänzung und Erweiterung.

Wie wird die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen beiden AKs aussehen? Gibt es Pläne für gemeinsame Projekte oder Veranstaltungen?

Die AWV-Fachveranstaltung „Verrechnungspreise in disruptiven Zeiten“, die am 13. und 14. Juni 2023 im Kongresszentrum kING in Ingelheim stattfinden wird, wird beispielweise gemeinschaftlich von beiden Arbeitskreisen organsiert. Erstmals werden spezielle Workshops zum Thema OTP angeboten. Daneben findet ein regelmäßiger Austausch zwischen den beiden Arbeitskreisen statt, um sich gegenseitig über die diskutierten Inhalte zu informieren.

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