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Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen – Planungs- und Genehmigungsverfahren flächendeckend digitalisieren

Rückblick auf die AWV-Netzwerkveranstaltung im Deutschen Landkreistag

vonJulia Szelag, AWV e.V.

Adobe Stock / hadkhanong, FotoArtist, sculpies

Planungs- und Genehmigungsverfahren, das Thema der AWV-Netzwerkveranstaltung, die Ende Oktober 2023 in Berlin stattfand, ist aktueller denn je. Lesen Sie mehr im Nachbericht.

Am 24. Oktober fand die letzte AWV-Netzwerkveranstaltung für das Jahr 2023 im Deutschen Landkreistag in Berlin statt. Unter dem Motto „Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen – Planungs- und Genehmigungsverfahren flächendeckend digitalisieren“ diskutierten Expert:innen über die gewaltigen infrastrukturellen, finanziellen und personellen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, teilten miteinander Erfahrungswerte aus dem „Genehmigungsalltag“ und tauschten sich insbesondere im aktuellen Kontext des Deutschland-Pakts über zukunftsweisende Lösungsansätze aus.

Im Rahmen des Deutschland-Pakts wurden 2023 vier Handlungsstränge definiert, die Deutschland moderner, effizienter, digitaler und sicherer aufstellen sollen. Dieses Maßnahmenpaket des Bundes und der Länder beinhaltet neben der Verwaltungsmodernisierung und -digitalisierung, der Stärkung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaft sowie der vermehrten Fachkräftegewinnung vor allem die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Darunter fallen insbesondere die Beschleunigung des allgemeinen Verfahrensrechts, die Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die Vereinfachung beim Gebäudebau, die Erleichterung von Großraum- und Schwertransporten, der Mobilfunk- und Glasfasernetzausbau sowie die Beschleunigung wichtiger Straßen- und Schienenprojekte.

Sowohl dieses Maßnahmenpaket als auch die Arbeiten der AWV-Projektgruppe 1.2.1 „Digitalisierung und Beschleunigung raumbezogener Genehmigungsverfahren“ stellten die thematische Grundlage für das Fach-Event am 24. Oktober dar.

Am Veranstaltungstag selbst feierte die Projektgruppe 1.2.1 unter der Leitung von AWV-Vorständin Dr. Christine Brockmann (Senior Managing Expert bei PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH, Berlin) und AWV-Vorstand Marco Brunzel (Stadt- und Regionalplaner (TU), Universität Speyer, HWR Berlin) ihr einjähriges Jubiläum. In der Projektgruppe tauschen sich seit dem 24. Oktober 2022  Fachleute aus Wirtschaft und Verwaltung über konkrete Ansatzpunkte zur Beschleunigung raumbezogener  Genehmigungsverfahren aus. Zudem werden in diesem Gremium praxisorientierte Lösungsvorschläge für die Verkürzung der Verfahrensdauer unter Berücksichtigung der technischen, organisatorischen und rechtlichen Bedingungen erarbeitet.

Die AWV beim Deutschen Landkreistag in Berlin

Der AWV-Hauptgeschäftsführer, Dr. Ulrich Naujokat, begrüßte als Vertretung für den AWV-Präsidenten, Werner Schmidt, das Plenum. Weitere Grußworte erfolgten durch den Gastgeber Dr. Kay Ruge (Beigeordneter im Deutschen Landkreistag), der in die Fachthematik einführte. Zudem bedankte er sich für die wertvolle Zusammenarbeit mit der AWV und betonte deren Rolle als Vordenkerin aktueller Digitalisierungsthemen und -transformationen am Puls der Zeit.

Impulsvortrag der stellvertretenden NKR-Vorsitzenden

Den inhaltlichen Auftakt lieferte Prof. Dr. Sabine Kuhlmann (stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrats, NKR), die das Fach-Event mit einem Impulsvortrag startete und vielfältige Anknüpfungspunkte zum Veranstaltungsthema bot. Mit Blick auf die Aktualität, die vorherrschenden Krisenerscheinungen und die politische Relevanz hat sich auch der NKR intensiv mit der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren auseinandergesetzt bzw. das Thema stärker akzentuiert und sich in Form einer Veröffentlichung von Kernempfehlungen an der Debatte um das Positionspapier des Bund-Länder Pakts beteiligt.  

Schnellere, transparentere und effizientere Verfahren seien die Grundlage für den Fortschritt, stärkten das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung und gingen automatisch auch mit einer Demokratiekomponente einher. Ziel sei es, die Verfahrenszeiten enorm zu verkürzen und eine ganzheitliche Strategie zu erarbeiten. Für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Pläne stellte Frau Prof. Dr. Kuhlmann die wichtigsten Forderungen aus dem aktuellen NKR-Positionspapier1 vor. Materielles Recht, das Ausschöpfen der Digitalisierungspotenziale, die Vereinfachung von Prozessen und Verfahren in Bezug auf die Verwaltungsorganisation und Standardisierung sowie das gezielte Einsetzen von Personalressourcen seien vier vom NKR identifizierte Bereiche für eine erfolgreiche Verwirklichung dieser Vorhaben. Um Verwaltungsdigitalisierung beschleunigen zu können, seien Zielbilder unabdingbar. Hierbei bedürfe es in erster Linie eines technischen Rahmens, der Voraussetzungen für den Einsatz von u.a. Cloud-Lösungen schafft. Behördenübergreifende Software und Schnittstellen seien hier die zentralen Schlagworte. Die einheitliche Festlegung und die flächendeckende Nutzung von Standards seien ein weiterer wichtiger Baustein, um insbesondere Medienbrüche zu vermeiden und Inkompatibilitäten zu verhindern. Neben der Etablierung eines Standardisierungsregimes müsse auch das Einer-für-Alle-Prinzip neu gedacht und weiter interpretiert werden. Auch der Einsatz von digitalen Plattformen sei ein bedeutender Aspekt bei der digitalen Abwicklung von Genehmigungen.

Panel-Diskussion

Nach dieser Keynote stellte Frau Dr. Brockmann die Aktivitäten der AWV-Projektgruppe 1.2.1 genauer vor. Neben der prozessübergreifenden Betrachtung raumbezogener Genehmigungsverfahren hat  die Projektgruppe z.B.  eine Problem-Lösungs-Matrix konkret für Bundes-Immissionsschutzgesetz-Genehmigungen bei Industrieanlagen ausgearbeitet. Zudem wurde aufgezeigt, weshalb Dauer und Aufwand von Planungs- und Genehmigungsverfahren so relevant für die  Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts Deutschland sind. Im Anschluss übernahm Dr. Brockmann die Moderation der Panel-Diskussion und stellte die vier Panelisten vor.  

Der Kreis der Diskutanten setzte sich wie folgt zusammen:

  • Dr. Ariane Berger, Leiterin Digitalisierung Deutscher Landkreistag, AWV-Vorständin
  • Silvia Haufe, Fachgebietsleiterin DC Genehmigungen – Naturschutz/Genehmigungen bei der 50 Hertz Transmission GmbH, Mitglied des DIHK-Ausschusses Umwelt und Energie
  • Dr. Pablo Mentzinis, Senior Director Government Affairs SAP SE, Vorsitzender des Ausschusses Digitalisierung des BDI
  • Eckhard Riege, stellvertretender Abteilungsleiter für Digitale Verwaltung, digitale Infrastruktur und Geoinformation, Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Die Expertinnen und Experten der AWV-Netzwerkveranstaltung v.l.n.r.: Silvia Haufe, Eckhard Riege, Dr. Ariane Berger, Prof. Dr. Sabine Kuhlmann, Dr. Pablo Mentzinis, Dr. Christine Brockmann, Dr. Kay Ruge und Dr. Ulrich Naujokat  
Die Expertinnen und Experten der AWV-Netzwerkveranstaltung v.l.n.r.: Silvia Haufe, Eckhard Riege, Dr. Ariane Berger, Prof. Dr. Sabine Kuhlmann, Dr. Pablo Mentzinis, Dr. Christine Brockmann, Dr. Kay Ruge und Dr. Ulrich Naujokat  

 

Nach der Vorstellungsrunde und dem Austausch zu den Berührungspunkten aus dem beruflichen Alltag, Best-Practices sowie Erfahrungswerten der Panelisten, waren u.a. folgende Leitfragen die Diskussionsgrundlage des Fachtalks:

  • Wie muss man sich Genehmigungsverfahren für länderübergreifende Infrastrukturmaßnahmen vorstellen?
  • Was sind die größten „Zeitfresser“ in den Genehmigungsprozessen? Gibt es Unterschiede in den jeweiligen Bundesländern bei der Gestaltung der Genehmigungsprozesse?
  • Welche Themen werden in der Debatte aus Industriesicht diskutiert und was bedeutet es mit Blick auf die Verwaltungsdigitalisierung, dass Unternehmen, die Power User der Verwaltung sind, ernst zu nehmen?
  • Wie stehen die Chancen für eine Nachnutzung der Onlinezugangsgesetz-Fokusleistung (Bsp.: Baugenehmigung, Onlinedienst von Mecklenburg-Vorpommern „Digitaler Bauantrag“) in anderen Bundesländern? Welche Erfolgsfaktoren können identifiziert werden und welche Hürden galt es zu überwinden?
  • Wie kann Digitalisierung zur Optimierung der Genehmigungsprozesse beitragen? Was wünschen sich Unternehmen diesbezüglich und gibt es Aspekte, bei denen die Verwaltung von der Wirtschaft lernen könnte?
  • Brauchen wir neue Formen des Wissensmanagements, damit die Vollzugsbehörden überhaupt noch mit den vielen regulatorischen Neuerungen und einer zunehmenden Komplexität in den Genehmigungsverfahren Schritt halten zu können?
  • Was unterscheidet den Plattform-Ansatz (vielversprechendes Lösungsszenario) von einem digitalisierten Genehmigungsverfahren oder den gängigen Verwaltungsportalen?
  • Wird der Deutschland-Pakt den Durchbruch bringen? Und welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden?

Fazit

Aus der lebhaften Podiumsdiskussion konnten folgende Erkenntnisse mitgenommen werden:

  • Das OZG braucht eine wirtschaftspolitische Neubewertung. Die Unternehmen sind Power User der Verwaltung und hier braucht es mehr Augenmerk. Dauern die Genehmigungsverfahren zu lange, kann dies negative Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen haben.
  • Die Nutzer, bspw. Unternehmen und Vollzugsbehörden, müssen bei den Digitalisierungsvorhaben frühzeitig eingebunden werden. Experimentierklauseln können helfen, gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln und zu erproben.
  • Bei Digitalisierungsvorhaben muss das prozessübergreifende und ganzheitliche Denken stärker im Fokus stehen. Hierbei bedarf es einer ressortübergreifenden Vernetzung, Nach- und Mitbenutzung vorhandener Lösungen, um das „Rad“ nicht immer neu erfinden zu müssen.
  • Die Potenziale digitaler Plattformen sollten genutzt werden, um die Prozesse zwischen Wirtschaft und Verwaltung neu zu gestalten und die Effizienzpotenziale, die sich aus der Wiederverwendung von Daten für Planung, Genehmigung und Berichtspflichten ergeben, zu heben.

Die Diskussion über die aktuellen Herausforderungen in den großen Transformationsbereichen deckten viele Grenzen und Hemmnisse in Deutschland auf. Das vermeintlich geglaubte juristische Problem sei vielmehr ein Ausbildungsproblem, welches angegangen werden müsse. Dass ein riesiger Reformbedarf vor uns liegt, war allen Diskutant:innen klar. Interessant war die Frage, wie wir mit all dem Wissen, der Expertise und den Best Practices letztlich in die praktische Umsetzung des Bund-Länder-Pakts kommen. Rechtliche Vorgaben, wie beispielsweise die Verpflichtung der Einreichung eines digitalen Bauantrags (siehe Baden-Württemberg), könnten die Digitalisierungsdynamik vorantreiben.

Um mit dem Tempo des angestrebten Wandels Schritt halten zu können, bedürfe es neben einer Offenheit und der Entwicklung von Zielbildern vor allem aber einer großen Portion Mut, um den Widerstand im eigenen Arbeitsumfeld aushalten zu können!

Vernetzung und Dank

Im Anschluss an den regen Austausch war Gelegenheit, sich im Rahmen eines Get-togethers zu vernetzen und einzelne Aspekte der Diskussion weiter zu vertiefen.
Der besondere Dank geht an Herrn Dr. Ruge und Frau Dr. Berger vom Deutschen Landkreistag, die die Veranstalter über die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Verpflegung hinaus auch im Vorfeld bei der Organisation der Veranstaltung unterstützt haben. Auch den Referent:innen danken wir ganz herzlich - wie auch Frau Dr. Brockmann für die inhaltliche Vorbereitung und Moderation.

 


  1Das Positionspapier des Nationalen Normenkontrollrates zu dem Pakt zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vom 17. Juli 2023 finden Sie auf der Website des NKR.
   

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